Exkurs: EU-Asylpolitik

Der Europäische Rat hat sich am 8.6.23 auf eine umfassende Reform des Gemeinsamen Europäischen
Asylsystems (GEAS) geeinigt. Nun beginnen die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament, die voraussichtlich Anfang 2024 zu einem Votum führen werden.
Die Innenminister:innen der EU-Mitgliedstaaten haben sich bisher auf zwei Verordnungen geeinigt (Verordnungen der EU sind grundsätzlich in allen ihren Teilen verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat der EU):

– Asylverfahrensordnung
– Asyl-und Migrationsmanagementverordnung

 Asylverfahrensordnung:

Mit dieser Verordnung wird der Zugang zum Asylsystem für in der EU Schutzsuchende geändert durch sog. Grenzverfahren (Grenzverfahren = Schnellverfahren für Personen aus bestimmten Ländern).
Grenzverfahren finden in der sog. Fiktion der Nicht-Einreise statt, d.h. es wird rechtlich fingiert, dass die schutzsuchende Person sich noch nicht auf EU-Boden befindet, obwohl dies physisch der Fall ist. 
Grenzverfahren bedeutet, dass ein beschleunigtes Verfahren durchgeführt wird, bei dem die Betroffenen nur einen eingeschränkten Zugang zu Rechtsmitteln gegen ablehnende Bescheide haben.
Grenzverfahren sind für Betroffene vorgesehen, die 
– aus Ländern kommen, die eine Schutzquote von 20% oder weniger aufweisen
– keine Dokumente vorweisen können oder
– bei der ersten Anhörung widersprüchliche Aussagen gemacht haben.

 Staaten, die für die Durchführung von Grenzverfahren zuständig sind, können die Schutzsuchenden unter haftähnlichen Bedingungen festhalten. Vorgesehen sind dafür 30.000 Plätze in Einrichtungen an den EU-Außengrenzen. Grenzverfahren dürfen maximal 12 Wochen dauern.

 Zulässigkeitsprüfungen:
In den sog. Zulässigkeitsprüfungen können die Asylbehörden prüfen, ob der Schutzsuchende aus einem Land eingereist ist, in dem er Asyl hätte beantragen können oder aus einem sicheren Drittstaat.
Als erstes Asyl-Land und sicherer Drittstaat werden Staaten bezeichnet, von denen angenommen wird, dass den Schutzsuchenden in diesen Ländern keine Verfolgung oder unmenschliche Behandlung drohen, d.h. Beachtung der Menschenrechte und Zugang zu Gesundheitsversorgung und Gewährung von Lebensunterhalt.
Sichere Drittstaaten sind danach: Albanien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Montenegro, Kosovo, Serbien, Türkei.
Wird das Asylgesuch als unzulässig erklärt, muss der Asylbewerber die EU verlassen und wird in das erste Asyl-Land oder den sicheren Drittstaat abgeschoben.

 Asyl-und Migrationsmanagement-Verordnung:

Diese Verordnung schafft die Voraussetzungen für eine Verteilung von Schutzsuchenden innerhalb der EU. Dadurch wird zum Teil die Dublin III-Verordnung ersetzt. Die Zuständigkeit bleibt grundsätzlich bei den Staaten, in die die Schutzsuchenden zuerst einreisen. Die Mitgliedstaaten sollen jährlich mind. 30.000 Schutzsuchende verteilen und 600 Mio Euro für Aufnahmemaßnahmen zur Verfügung stellen.  Die Mitgliedstaaten sichern eine bestimmte Zahl an Plätzen für die Verteilung zu. Staaten, die keine Schutzsuchenden aufnehmen wollen, können sich nur finanziell beteiligen. Dies wird in einem sog. Solidaritätspakt niedergelegt.

 Die Reform lässt viele Fragen im Hinblick auf die praktische Umsetzung offen.

Hier finden Sie Näheres dazu.